Trichotillomanie

Haare ziehen
Bild: Tunatura/Getty Images/Canva
Zwanghaftes Ausreißen der Haare
 
Es gibt eine sehr geheime Störung, die in den Schlafzimmern und Badezimmern der ganzen Welt verborgen bleibt. Es wird im privaten getain und wird oft von den Betroffenen ignoriert und gleichzeitig vor anderen versteckt. Diese Störung kann sogar so viel Scham auslösen, dass Betroffene sich an Drogen oder Alkohol wenden um die negativen Gefühle von Scham und Schuld zu betäuben, meist aber ohne Erfolg. Was ist diese Störung, fragen sie? Trichotillomanie oder TTM ist das wiederkehrende, zwanghafte Aussreissen des eigenen Haares, mit der Folge von starkem und sichtbaren Haarverlust.
 
Haar kann man überall am Körper zupfen, am häuftigsten geschieht es aber im Gesicht, auf der Kopfhaut, an den Augenbrauen und den Wimpern. Andere Bereiche, die manchmal auch in Mitleidenschaft gezogen werden, sind die Achselhöhlen, die Schamhaare und die perirektale Region. Pinzetten, Nadeln oder Fingernägel sind die Waffen der Wahl um das angepeilte Haar zu entfernen.
 
Personen mit Trichotillomanie beginnen oft recht harmlos damit ihr Haar ständig anzufassen und mit der Hand zu „kämmen“, dabei auch Strähnen zu zwirbeln und die Augenbrauen zu streicheln. Dabei wird aber nach dem richtigen Batzen Haar gesucht, den man später ausreißen will. Eine Rupfperiode folgt meist einem Anstieg der Spannung und dem tiefen Bedürfnis zu reißen. Nach dem Ausreißen der Haare folgt meist das Gefühl von Erleichterung und sogar Freude.
 
Es gibt auch Menschen mit Trichotillomanie, die das Haar nicht ausreißen sondern es lange und mit zwanghafter Konzentration sehr aufwendig schneiden um eine perfekte Symmetrie zu finden. Diese Episoden des Schneidens oder Reißens können mehrere Stunden lang anhalten, während dieser die betroffene Person in einem tranceartigen Zustand sein kann und es ihm oder ihr vorkommt als seien nur wenige Minuten vergangen. Oft geschieht dies wenn die betroffene Person alleine ist und Fernsehen schaut, liest, telefoniert, im Auto fährt oder sich am Morgen für den Tag fertig macht.
 
Es gibt keinen einzelnen Grund für dieses Ausreißen der Haare. Extensive Forschung zeigt einige Beweise auf, dass die Hirnfunktion und die Struktur des Gehirns etwas damit zu tun haben. CAT Scans dieser Patienten unterscheiden sich deutlich vom Rest der Bevölkerung und ähneln den Scans von Menschen mit anderen psychiatrischen Störungen wie zum Beispiel Tourette Syndrom. Aus diesem Grund achten Ärzte mehr auf die Anatomie und Physiologie des Gehirns. Es gibt auch einige Hinweise, dass eine Streptokokken Infektion für eine Entstehung der Krankheit in der Kindheit verantwortlich sein könnte.
 
Im Allgemeinen beginnt es in der Kindheit oder bei Heranwachsenden, es gibt allerdings auch Fälle in denen Trichotillomanie erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird. Früher wurde geglaubt, dass es nur 0.03 – 0.2 Prozent der Bevölkerung befällt, aber nun schauen wir auf 2- 3 Prozent der Bevölkerung und es betrifft Jungen und Mädchen zu gleichen Teilen. In späteren Jahren verschiebt sich die Balance allerdings und mehr Frauen sind davon betroffen.
 
Haare mit einer Pinzette herausziehen
Bild: Andrey Popov/Getty Images/Canva
Es gibt verschiedene Arten der Behandlung, wobei jeder Fall ganz individuell untersucht werden muss. Als effekt bewies ein Gewohnheits Umkehr Training. Hierbei lernen Betroffene die Situationen und Ereignisse zu erkennen, die das Ausreißen der Haare auslösen und danach lernen sie alternative Reaktionen zu diesen Situationen. Eine andere bekannte Behandlung ist die Technik der Stimmuluskontrolle, wobei spezifische Gegenstände als „Gewohnheits Blockaden“ eingesetzt werden um das Ausreißen der Haare zu beschränken.
 
Es gibt viele Komplikationen, die von Trichotillomanie verursacht werden, darunter befinden sich Alopezia (Kahlheit), verlangsamter oder stagnierender Haarwuchs sowie Veränderungen der Struktur und fabe der Haare. Es gibt gleichzeitig ein erhöhtes Risiko für Infektionen oder Narben durch das Zwanghafte ziehen oder graben um das Zielhaar und Follikel aus der Haut zu entfernen. Es gibt auch viele Menschen, die diese Haare sogar essen und sich damit der Gefahr von Magenschmerzen aussetzen, gastrointestinale Verstopfung, Peritonitis bekommen und in seltenen Fällen sogar sterben können. Auch das Risiko einer Erkrankung des Handwurzelkanals (Karpal-Tunnel Syndrom) oder anderer neuromuskolärer Erkrankungen lauert stehts durch die immer gleiche Bewegung des Ausreißens der Haare.
 
Es ist sehr wichtig, daran zu denken, dass Trichotillomanie keine einzelne Störung ist, sie exisitiert meist in Verbindung mit anderen psychiatrischen Zuständen wie Angststörungen, Depressionen, Ess-Störungen, ADD, Tourette Störung und körperlicher Dysmorphie. Menschen mit Trichotillomanie leiden oft unter Angstzuständen und Mißbrauch von Alkohol oder Drogen. Am schlimmsten ist aber das Schamgefühl, das mit TTM einhergeht und wodurch betroffene Personen extrem dazu neigen, die Probleme zu verschweigen und zu ignorieren. Sie können sogar soweit gehen, dass sie den Haarverlust verstecken indem sie Hüte, Schals, falsche Wimpern oder tätowierte Augenbrauen tragen.
 
Trichotillomanie kann das Leben verändern und manchmal sogar beenden. Sie muss von einem speziell ausgebildeten Profi behandelt werden, mit Erfahrung in der Diagnose und Behandlung von zwanghaften Persönlichkeitsstörungen. Es kann nicht durch eigene Willenskraft abgestellt werden. Viele Betroffene tendieren auch dazu perfektionistisch zu sein und sie denken, dass sie alles selbst am besten können. Aber hier funktioniert das nicht. Wenn sie eine gute Beziehung zu ihrem Vergrösserungsspiegel haben und ihre Pinzetten so wichtig sind, dass sie mehr Zeit mit ihnen verbringen als mit ihrer Familie und ihren Freunden, dann haben sie vielleicht ein Problem, dass sie untersuchen lassen sollten.
 
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